Spezialsituationen

Schwangerschaft

Fertilität und Schwangerschaft

Die Fertilität von Frauen und Männern mit Myasthenia gravis (MG) ist per se nicht eingeschränkt [1].

MG hat keinen Einfluss auf den Schwangerschaftsverlauf, insbesondere auf die Dauer der Schwangerschaft, das Geburtsgewicht des Kindes oder die Fehlbildungsrate [2].

Reproduktionsmedizin

Die Auswirkungen der hormonellen Stimulationsbehandlungen auf den Verlauf der MG ist nicht ausreichend untersucht.

Es kann neben möglichen Nebenwirkungen der Stimulation selbst zu einer Verschlechterung der MG kommen. Deshalb sollte eine Stimulationsbehandlung nur bei Patientinnen mit stabilem Verlauf der MG erwogen werden. Der die Myasthenie betreuende Neurologe bzw. die Neurologin sollte vorab aufgesucht, informiert und in die Planungen mit einbezogen werden.

Schwangerschaft und post partum

  • 25 % aller MG-Patientinnen erleiden eine Verschlechterung ihrer myasthenen Symptome, 6,4 % eine myasthene Krise in der Schwangerschaft [2] . Dies tritt vermehrt im ersten Trimenon der Schwangerschaft auf.
  • Etwa 11 % bis 30 % aller MG-Patientinnen erleiden eine Verschlechterung der myasthenen Symptome nach der Schwangerschaft, insbesondere im ersten postpartalen Monat [3,4]. Bei 8,2 % treten postpartal myasthene Krisen auf [2].
  • Die Thymektomie, durchgeführt vor Schwangerschaft, korreliert signifikant mit einem geringeren Risiko einer klinischen Exazerbation während der Schwangerschaft und einem geringeren Risiko neonataler myasthener Symptome.
  • Schwangerschaft hat keinen signifikanten Effekt auf den Langzeitverlauf der Myasthenia gravis.

Eine Bestimmung der Antikörpertiter (von AchR, MusK oder Lrp4) vor bzw. in der Früh-Schwangerschaft und kurz vor der Entbindung kann erwogen werden, um eine mögliche immunologische Verschlechterung zu erfassen. Die Therapie sollte allerdings nach klinischer Risikoabwägung erfolgen.

Maternale Besonderheiten || rund um die Geburt

  • Die Entbindung und peripartale Betreuung sollte bei MG-Patientinnen in einem Krankenhaus der Maximalversorgung mit einem Peripartalzentrum erfolgen. Eine neonatale Intensivstation sollte verfügbar sein.
  • Eine Spontangeburt ist anzustreben [5,6].
  • Eine Periduralanästhesie kann durchgeführt werden [7].
  • Bei Geburtsschwäche ist eine parenterale Gabe von Pyridostigmin zu erwägen.

Pathomechanistisch ist eine vorzeitige Ermüdung der Skelettmuskulatur im Geburtskanal, insbesondere der Beckenbodenmuskulatur möglich. Die Muskulatur des Uterus ist durch die MG nicht betroffen, da es sich um glatte Muskulatur handelt und somit nicht durch die üblichen myasthene Symptome auslösenden Antikörper beeinflusst wird.

Neonatale Besonderheiten || peri- und postpartal

  • Eine transiente neonatale MG tritt in etwa 10 – 20 % der Neugeborenen auf [2,8]. Dies manifestiert sich häufig innerhalb der ersten 24 Stunden postpartal und ist in der Regel nach spätestens 2 – 4 Wochen rückläufig. Bei Patientinnen mit Antikörpern gegen den Acetylcholin-Rezeptor tritt das Phänomen häufiger auf als in Patientinnen mit MuSK-AK positiver MG oder seronegativer MG [9]. Es können myasthene Symptome wie eine Ptosis, Trink-, Schrei- oder Schluckschwäche, eine muskuläre Hypotonie (floppy infant) und sehr selten eine globale respiratorische Insuffizienz auftreten. Bei Auftreten neonataler myasthener Symptome sollten die Neugeborenen auf einer pädiatrischen Intensivstation bis zum Abklingen der Symptome überwacht und behandelt werden.
  • Eine Arthrogrypsis multiplex congenita (AMC) oder ein fetales AchR-Inaktivierungs-Syndrom (FARIS) treten sehr selten auf und gehen mit einer intrauterinen muskulären Hypotonie, Gelenkkontrakturen und einer Zwerchfellparese einher. Wenn bereits ein Kind betroffen war, tritt eine AMC / FARIS mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit in der nächsten Schwangerschaft erneut auf [10,11]. Eine frühzeitige Therapie mit i. v. Immunglobulinen (IVIG) oder Immunadsorption (IA) bzw. Plasmapherese (PLEX) sollte ggf. schon in der Schwangerschaft erwogen werden.

In einer kürzlich erschienenen Publikation (Allen et al., Brain, 2023) wird anstatt „fetal acetylcholine receptor inactivation syndrome“ (FARIS) der Begriff „fetal acetylcholine receptor antibody-related disorders“ (FARAD) vorgeschlagen, um damit die Breite des klinischen Spektrums und die Vielfalt der zugrunde liegenden Mechanismen abzubilden.

  • Stillen ist in der MG aufgrund eines nur sehr geringen Übertritts mütterlicher Antikörper in die Muttermilch prinzipiell empfohlen. Der höchste, allerdings hochwahrscheinlich klinisch nicht relevante Übertritt an Antikörper von der Mutter auf das Neugeborene besteht über das Kolostrum.

Medikamentöse Therapie || in der Schwangerschaft und Stillzeit

  • Generell wird eine Unterbrechung der Schwangerschaft wegen Medikamentenexposition bei Konzeption nicht empfohlen, allerdings sind insbesondere Mycophenolat und MTX bekannte humane Teratogene. Frauen, die mit diesen Medikamenten behandelt werden, müssen kontinuierlich aufgeklärt werden.
  • Eine intensivierte Ultraschallvorsorge (13. und 20. Woche) kann je nach reproduktionstoxischem Risiko der Substanz angeraten sein.
  • IVIG oder PLEX / IA sind bei einer Exazerbation myasthener Symptome während der Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen. Die Immunadsorption ist der Plasmapherese vorzuziehen, da bei dieser Methode Plasmabestandteile zurückgewonnen werden.
  • Magnesiumsulfat ist in der Therapie der Eklampsie bei MG-Patientinnen zu meiden. Eine alternative Therapie mit Neostigmin i. v. ist zu erwägen [12].
  • Frauen mit MG sollten in der Schwangerschaft alle empfohlenen Impfungen erhalten (u. a. gegen Influenza und Pertussis).

Im Folgenden wird der Originaltext der einzelnen Immuntherapeutika aus der jeweiligen Fachinformation, versehen mit einem Kommentar, vorgestellt.

Acetylcholinesterase-Inhibitoren

Schwangerschaft

Schwangerschaft

Es liegen keine hinreichenden Daten für die Verwendung von Pyridostigminbromid bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien zur Reproduktionstoxizität an Ratten zeigten nach oraler Gabe von Pyridostigmin keine Effekte auf die männliche und weibliche Fertilität. In Untersuchungen zur Embryotoxizität kam es im maternal toxischen Dosisbereich zu einer erhöhten Resorptionsrate und zu Ossifikationsverzögerungen bei den Feten. In einer Peri- / Postnatalstudie war die Größe und Gewichtszunahme bei den Nachkommen behandelter Muttertiere erniedrigt.

Die i. v. Anwendung von Acetylcholinesterase-Hemmern in der Schwangerschaft kann zur Auslösung von vorzeitigen Wehen führen. Die Gefahr vorzeitiger Wehen besteht dabei insbesondere bei der Anwendung zum Ende der Schwangerschaft.

Pyridostigmin darf deshalb während der Schwangerschaft nur bei strenger Indikationsstellung angewendet werden.

Acetylcholinesterase-Inhibitoren wie das Pyridostigminbromid oral sind auf Grundlage der Studienlage und empirischer Daten in niedriger bis moderater Dosierung während der Schwangerschaft vertretbar. Sollte die intravenöse Gabe von Pyridostigmin auf Grund einer krisenhaften Verschlechterung der MG nötig sein, muss der Nutzen dem Risiko von möglichen Uteruskontraktionen mit Frühgeburtlichkeit gegenübergestellt werden.

Stillzeit
Stillzeit
Da Pyridostigminbromid in die Muttermilch übergeht, darf während einer Behandlung mit Pyridostigmin nicht gestillt werden. Ist eine Pyridostigmin-Behandlung erforderlich, muss abgestillt werden.

Es besteht ein nur sehr geringer Übertritt des Pyridostigmin in die Muttermilch. Cholinerge Symptome wurden bei gestillten Kindern bisher nicht beschrieben und scheinen aufgrund der geringen zu erwartenden Plasmakonzentration beim Kind unwahrscheinlich. Stillen unter Einnahme von Pyridostigmin ist deswegen vertretbar. Auf cholinerge Symptome wie Hypersalivation und gastrointestinalen Symptomen sollte geachtet werden.

Steroide (Prednisolon)

Schwangerschaft

Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft darf eine Behandlung nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Bei einer Langzeitbehandlung mit Glukokortikoiden während der Schwangerschaft sind Wachstumsstörungen des Fetus nicht auszuschließen. Prednisolon führte im Tierexperiment zur Ausbildung von Gaumenspalten. Ein erhöhtes Risiko für orale Spaltbildungen bei menschlichen Feten durch die Gabe von Glukokortikoiden während des ersten Trimenons wird diskutiert. Werden Glukokortikoide am Ende der Schwangerschaft gegeben, besteht für den Fetus die Gefahr einer Atrophie der Nebennierenrinde, die eine ausschleichende Substitutionsbehandlung des Neugeborenen erforderlich machen kann.

Prednisolon stellt das bevorzugte Steroid während der Schwangerschaft und Stillzeit dar. Die Dosierung sollte in jedem Fall kritisch abgewogen werden. Aufgrund eines möglicherweise leicht erhöhten Risikos von Gaumenspalten ist insbesondere im ersten Trimenon eine möglichst niedrige Dosis pro Tag anzuwenden.

Stillzeit

Stillzeit

Glukokortikoide gehen in geringen Mengen in die Muttermilch über (bis zu 0,23 % der Einzeldosis). Bei Dosen bis zu 10 mg / Tag liegt die über die Muttermilch aufgenommene Menge unter der Nachweisgrenze. Eine Schädigung des Säuglings ist bisher nicht bekannt geworden. Trotzdem sollte die Indikation in der Stillzeit streng gestellt werden. Da das Milch / Plasma-Konzentrationsverhältnis bei höheren Dosen ansteigt (25 % der Serumkonzentration in der Milch bei 80 mg Prednisolon / Tag), empfiehlt sich in diesen Fällen das Abstillen.

Die Einnahme von Prednisolon ist auch in der Stillzeit vertretbar. Hier ist ebenfalls auf eine möglichst geringe Dosierung zu achten, da es in geringen Mengen zu einem Übertritt des Wirkstoffs in die Muttermilch kommt.

Azathioprin

Schwangerschaft
Schwangerschaft

Im Tierversuch sind Missbildungen durch Azathioprin aufgetreten. In Embryotoxizitätsstudien zeigte Azathioprin in verschiedenen Tierspezies teratogene oder embryoletale Wirkungen. Beim Menschen gibt es aber widersprüchliche Befunde über ein teratogenes Potenzial von Azathioprin. Azathioprin darf in der Schwangerschaft nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Sowohl männliche als auch weibliche Patienten im reproduktiven Alter sollten während der Anwendung von Azathioprin empfängnisverhütende Maßnahmen treffen. Männer sollten während und bis 6 Monate nach Ende der Behandlung keine Kinder zeugen. Dies gilt auch für Patienten mit eingeschränkter Fruchtbarkeit aufgrund chronischer Urämie, da sich die Fruchtbarkeit nach Transplantation im Allgemeinen wieder normalisiert. Fallberichte deuten darauf hin, dass Intrauterinpessare (Spirale, Kupfer-T) unter einer Azathioprin-Therapie versagen können. Daher sind andere oder zusätzliche empfängnisverhütende Maßnahmen anzuraten.

Es ist bekannt, dass Azathioprin und seine Metaboliten in erheblichem Maße die Plazenta und Fruchtblase passieren und so von der Mutter in den Fetus gelangen können. Bei einer Reihe von Neugeborenen, deren Mütter Azathioprin während der Schwangerschaft einnahmen, wurde eine Veränderung des Blutbildes (Leukozytopenie und / oder Thrombozytopenie) festgestellt. Während der Schwangerschaft ist eine besonders sorgfältige hämatologische Überwachung anzuraten. Bei einer Kombination von Azathioprin mit Prednison wurde bei intrauterin exponierten Neugeborenen eine vorübergehende Beeinträchtigung der Immunreaktion festgestellt. Es gab Berichte von intrauteriner Wachstumsretardierung, über Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht gegenüber Azathioprin vor, insbesondere in Kombination mit Kortikosteroiden. Ferner liegen Berichte über spontane Aborte sowohl nach mütterlicher wie nach väterlicher Exposition vor. Chromosomale Veränderungen, die im Laufe der Zeit verschwanden, wurden in Lymphozyten von Kindern gefunden, deren Eltern mit Azathioprin behandelt wurden. Mit Ausnahme von extrem seltenen Fällen wurden keine sichtbaren physischen Anzeichen für eine Abnormalität bei den Nachkommen von mit Azathioprin behandelten Patienten beobachtet.

Azathioprin darf bei entsprechender Indikation in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden.

Im dritten Trimenon und in seltenen Fällen auch in der Stillzeit kann die Therapie mit Azathioprin zu laborchemischen Auffälligkeiten, insbesondere Zytopenien des Kindes führen. Daher sollte bei Geburt ein großes Blutbild aus dem Nabelschnurblut des Kindes bestimmt werden. Bei Leukopenien der Mutter sollten Dosisanpassungen erwogen werden.

Über ein erhöhtes Risiko an Totgeburten (1 % anstatt 0,5 % in der Normalbevölkerung) sollte aufgeklärt werden. Langfristig relevante negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder sind nicht beobachtet worden.

Stillzeit

Stillzeit

Der aktive Metabolit von Azathioprin, Mercaptopurin, wurde im Kolostrum und in der Muttermilch von Frauen nachgewiesen, die mit Azathioprin behandelt wurden. Deshalb ist eine Therapie mit Azathioprin während der Stillzeit kontraindiziert. Falls eine Behandlung mit Azathioprin unumgänglich ist, muss abgestillt werden.

Azathioprin darf bei entsprechender Indikation in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden.

Im dritten Trimenon und in seltenen Fällen auch in der Stillzeit kann die Therapie mit Azathioprin zu laborchemischen Auffälligkeiten, insbesondere Zytopenien des Kindes führen. Daher sollte bei Geburt ein großes Blutbild aus dem Nabelschnurblut des Kindes bestimmt werden. Bei Leukopenien der Mutter sollten Dosisanpassungen erwogen werden.

Volles Stillen unter Therapie mit Azathioprin kann erwogen werden. Im Einzelfall kann bei V.a. auf eine Leukopenie eine Blutbilduntersuchung beim Säugling durchgeführt werden.

Mycophenolatmofetil und andere orale Immunsuppressiva

Schwangerschaft

Schwangerschaft

Mycophenolatmofetil (MMF) wirkt beim Menschen stark teratogen. Fehlgeburten (Rate 45 % – 49 %) und kongenitale Missbildungen (geschätzte Rate 23 % – 27 %) sind nach MMF-Exposition in der Schwangerschaft berichtet worden. Daher ist Mycophenolatmofetil in der Schwangerschaft kontraindiziert, außer wenn keine geeignete alternative Behandlung zur Verfügung steht, um eine Transplantatabstoßung zu verhindern. Patientinnen im gebärfähigen Alter müssen über die Risiken aufgeklärt werden sowie vor, während und nach Behandlung mit Mycophenolatmofetil die Empfehlungen zu Verhütungsmethoden und Schwangerschaftstests befolgen. Ärzte sollen sicherstellen, dass Frauen, die Mycophenolat anwenden, die Risiken einer Schädigung des Babys, die Notwendigkeit einer wirksamen Verhütung und die Notwendigkeit, im Fall einer möglichen Schwangerschaft, ihren Arzt sofort zu benachrichtigen, verstehen.

Belastbare klinische Daten zeigen ein hohes Risiko für Fehlgeburten und kongenitale Missbildungen bei Anwendung von Mycophenolatmofetil während der Schwangerschaft, sodass eine Schwangerschaft während der Behandlung unbedingt zu vermeiden ist. Daher müssen Frauen im gebärfähigen Alter vor Beginn der Behandlung, während der Behandlung sowie noch für 6 Wochen nach Beendigung der Behandlung mit Mycophenolatmofetil mindestens eine zuverlässige Form der Kontrazeption anwenden; es sei denn, Abstinenz wird als Kontrazeptionsmethode gewählt. Vorzugsweise sind zwei ergänzende Formen der Kontrazeption gleichzeitig anzuwenden, um das Risiko für ein Versagen der Verhütung und eine ungewollte Schwangerschaft zu minimieren.

MMF, Ciclosporin A Cyclophosphamid, Methotrexat und Tacrolimus sind in der Schwangerschaft kontraindiziert. Aufgrund der Halbwertzeit von 12 – 17 Stunden kann im Falle von MMF eine Schwangerschaft etwa 6 Wochen nach Beendigung der Therapie erwogen werden. Bis dahin sollte eine zuverlässige Kontrazeption durchgeführt werden, da es sich um ein bekanntes Teratogen handelt. Cyclophosphamid und Methotrexat sollten mindestens 3 Monate vor Schwangerschaft abgesetzt oder durch ein schwangerschaftskompatibleres Medikament ersetzt werden. Zu Ciclosporin A und Tracrolimus liegen insbesondere Erfahrungswerte aus der Transplantationsmedizin vor [13]. Hinweise auf eine mutagene oder teratogene Wirkung zeigen sich in Kohortenstudien nicht [5]. Tierexperimentelle Studien legen jedoch einen toxischen Effekt auf den Embryo nahe, der durch Komedikation mit Prednisolon verstärkt wird [14]. Aus diesem Grund ist auch hier ein Wechsel der Medikation vor Schwangerschaft empfohlen.

Stillzeit

Stillzeit

Es hat sich gezeigt, dass Mycophenolatmofetil in die Muttermilch von laktierenden Ratten übertritt. Es ist nicht bekannt, ob der Wirkstoff auch beim Menschen in die Muttermilch übergeht. Aufgrund des Risikos schwerer unerwünschter Wirkungen von Mycophenolatmofetil beim gestillten Kind, ist Mycophenolatmofetil bei stillenden Müttern kontraindiziert.

Rituximab

Schwangerschaft

Schwangerschaft

Wegen der langen Retentionszeit von Rituximab bei Patienten mit B-Zell-Depletion müssen Frauen im gebärfähigen Alter während und weitere 12 Monate nach der Behandlung mit Rituximab wirksame kontrazeptive Methoden anwenden.

Immunglobuline der Klasse G können die Plazentaschranke passieren. Die B-Zell-Werte bei neugeborenen Menschen nach der Anwendung von Rituximab bei der Mutter sind im Rahmen klinischer Studien nicht untersucht worden. Es liegen keine hinreichenden und gut kontrollierten Daten aus Studien bei schwangeren Frauen vor. Bei einigen Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft Rituximab ausgesetzt waren, wurde jedoch über eine vorübergehende B-Zell-Depletion und Lymphozytopenie berichtet. Ähnliche Effekte wurden auch in tierexperimentellen Studien beobachtet. Aus diesen Gründen sollte Rituximab nur dann bei Schwangeren angewendet werden, wenn der mögliche Nutzen das potenzielle Risiko überwiegt.

Eine Therapie mit Rituximab sollte in der Schwangerschaft pausiert werden. Daten von der Therapie in der Multiplen Sklerose legen nahe, dass eine Gabe von Rituximab kurz vor der Schwangerschaft (einen bis drei Monate vor Schwangerschaft) ohne Erhöhung von Aborten, Teratogenität oder anderen Schwangerschaftskomplikationen einhergeht [15].

Stillzeit

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Rituximab in die Muttermilch übertritt. Da jedoch mütterliche IgG in die Milch übertreten und Rituximab in der Milch säugender Affen nachgewiesen wurde, sollten Frauen während und weitere 12 Monate nach der Behandlung mit Rituximab nicht stillen.

Die Gabe von Rituximab während der Stillzeit ist off-label, gilt jedoch nach aktueller Datenlage als stillkompatibel [15,16].

Eculizumab und andere Komplementinhibitoren

Schwangerschaft

Schwangerschaft

Bei gebärfähigen Frauen sollte die Anwendung einer geeigneten Verhütungsmethode zur Verhinderung einer Schwangerschaft während der Behandlung und mindestens 5 Monate nach der letzten Eculizumab-Dosis in Betracht gezogen werden. Es liegen keine gut kontrollierten Studien an Schwangeren vor, die mit Eculizumab behandelt wurden. Daten über eine begrenzte Zahl von exponierten Schwangeren (Ergebnisse von weniger als 300 Schwangerschaften) deuten nicht auf ein erhöhtes fetales Fehlbildungsrisiko oder eine fetale / neonatale Toxizität von Eculizumab hin. Aufgrund des Fehlens gut kontrollierter Studien bleibt jedoch eine gewisse Unsicherheit bestehen. Daher wird empfohlen, vor Beginn und während einer Behandlung mit Eculizumab bei Schwangeren eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse durchzuführen. Sollte diese Behandlung während einer Schwangerschaft für notwendig erachtet werden, wird zu einer strengen Überwachung von Mutter und Fetus entsprechend den lokalen Leitlinien geraten. Es wurden keine Reproduktionsstudien an Tieren mit Eculizumab durchgeführt. Humanes IgG passiert bekanntlich die Plazentaschranke und demzufolge kann Eculizumab potenziell eine terminale Komplementinhibition im fetalen Kreislauf verursachen. Deshalb sollte Eculizumab einer Schwangeren nur dann gegeben werden, wenn dies eindeutig erforderlich ist.

Zu den Sicherheitsdaten der intravenösen Therapien Eculizumab und Ravulizumab während Schwangerschaft und Stillzeit liegen bisher zu wenige Daten vor. Untersuchungen in der Therapie mit Eculizumab legen nahe, dass eine nur sehr geringe Übertragung der Antikörper über die Plazentaschranke auf das Kind ab dem zweiten Trimenon stattfindet. Ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen wurde nicht beobachtet [17,18]. Die Gabe während Schwangerschaft ist in Einzelfällen unter intensiver Risiko-Nutzen-Abwägung zu erwägen und sollte ärztlich engmaschig betreut werden.

Wurden monoklonale Antikörper in der Schwangerschaft weitergeführt, muss individuell mit dem Kinderarzt entschieden werden, ob das Kind mit Lebendimpfungen geimpft werden kann. Die erste Lebendimpfung in Deutschland ist die Impfung gegen Rotaviren, die in der Regel ab der 6. Lebenswoche durchgeführt wird.

Stillzeit

Stillzeit

Es sind keine Auswirkungen auf gestillte Neugeborene / Kinder zu erwarten, da aus den verfügbaren begrenzten Daten hervorgeht, dass Eculizumab nicht in die Muttermilch übergeht. Aufgrund der Einschränkungen der verfügbaren Daten sollte jedoch der Nutzen des Stillens für Entwicklung und Gesundheit des Kindes zusammen mit dem klinischen Bedarf der Mutter für Eculizumab und potenziellen unerwünschten Wirkungen auf das gestillte Kind durch Eculizumab oder die Grunderkrankung der Mutter in Betracht gezogen werden.

Da monoklonale Antikörper in der Stillzeit lediglich in sehr geringem Ausmaß in die Muttermilch übergehen, kann erwogen werden, unter diesen Therapien zu stillen. Wurden monoklonale Antikörper in der Schwangerschaft weitergeführt, muss individuell mit dem Kinderarzt entschieden werden, ob das Kind mit Lebendimpfungen geimpft werden kann. Die erste Lebendimpfung in Deutschland ist die Impfung gegen Rotaviren, die in der Regel ab der 6. Lebenswoche durchgeführt wird.

Efgartigimod alfa

Schwangerschaft

Schwangerschaft

Es liegen keine Daten zur Anwendung von Efgartigimod alfa während der Schwangerschaft vor. Es ist bekannt, dass Antikörper, einschließlich therapeutischer monoklonaler Antikörper, aktiv durch die Plazenta transportiert werden (nach 30 Schwangerschaftswochen), indem sie an den FcRn binden. Efgartigimod alfa kann von der Mutter auf den sich entwickelnden Fötus übertragen werden. Da davon auszugehen ist, dass Efgartigimod alfa die mütterlichen Antikörperspiegel senkt und außerdem die Übertragung mütterlicher Antikörper auf den Fötus hemmt, ist eine Verringerung des passiven Schutzes des Neugeborenen zu erwarten. Daher sind Risiken und Nutzen der Gabe von lebenden / lebend-attenuierten Impfstoffen an Säuglinge, die Efgartigimod alfa in utero ausgesetzt waren, abzuwägen. Die Behandlung schwangerer Frauen mit Efgartigimod sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn der klinische Nutzen die Risiken überwiegt.

Die Empfehlungen bezüglich Efgartigimod alfa entsprechen denen, die zu den Komplementinhibitoren ausgesprochen wurden.

Stillzeit

Stillzeit

Es liegen keine Informationen über das Vorhandensein von Efgartigimod alfa in der Muttermilch, über Auswirkungen auf das gestillte Kind oder über Auswirkungen auf die Milchproduktion vor. Es wurden keine tierexperimentellen Studien zum Übergang von Efgartigimod alfa in die Milch durchgeführt, daher kann eine Ausscheidung in die Muttermilch nicht ausgeschlossen werden. Es ist bekannt, dass maternales IgG in der Muttermilch vorhanden ist. Die Behandlung stillender Frauen mit Efgartigimod alfa sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn der klinische Nutzen die Risiken überwiegt.

Efgartigimod sorgt durch seinen Wirkmechanismus zu einer Reduktion der IgG-Konzentration bei Mutter und Kind. Das kann den passiven Schutz gegen Infektionen nach der Geburt vermindern. Eine Anwendung während der Stillzeit sollte somit kritisch abgewogen werden.

Genetik || familiäre Belastung

  • 3,8 % bis 7,1 % der MG-Patienten berichten von Angehörigen mit MG [19].
  • Es besteht ein erhöhtes, familiäres Risiko für Geschwister von ca. 4,5 % ebenfalls an einer MG zu erkranken [20].
  • Die Konkordanzrate in monozygoten Zwillingen beträgt 35 % [21].
  • Die Assoziation mit verschiedenen HLA-Genotypen unterscheidet sich abhängig von dem Alter bei Erkrankungsbeginn, dem Geschlecht und der ethnischen Zugehörigkeit [22]. Beispielhaft ist hier die Assoziation der Early Onset Myasthenia gravis (EOMG) in der kaukasischen Bevölkerung mit dem HLA Typ A1/B8/DR3 zu nennen [23].

Schwangerschaftsregister

Es besteht ein Register zur Erfassung klinischer Aspekte von Myasthenie in Schwangerschaft und Stillzeit. Informationen und Kontaktaufnahme unter www.dmgkw.de

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Autoren

Diese Empfehlung wurde von der Deutschen Myasthenie Gesellschaft e. V. unter der Federführung folgender Autoren erstellt:

  • Dr. med. Charlotte Schubert

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

  • Prof. Dr. med. Berthold Schalke

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Regensburg

  • Prof. Dr. med. Kerstin Hellwig

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum

Autoren

Dr. med. Charlotte Schubert

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Prof. Dr. med. Berthold Schalke

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Regensburg

Prof. Dr. med. Kerstin Hellwig

Klinik für Neurologie, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum