Myasthenie

Eculizumab

Indikation

Eculizumab (Soliris®) ist seit 2017 zur Behandlung der therapierefraktären generalisierten, Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper(AK)-positiven Myasthenia gravis (MG) zugelassen. In der Zulassungsstudie „REGAIN“ wurden nur Acetylcholin-Rezeptor-AK-seropositive Patienten untersucht. Direkte prospektive Vergleichsdaten zur Wirksamkeit gegenüber weiteren, im Myasthenie-Qualitätshandbuch beschriebenen off-label Therapieoptionen (z. B. Rituximab, Mycophenolat-Mofetil, Tocilizumab) liegen nicht vor.

Die Entscheidung zur Therapie mit Eculizumab sollte nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung unter Einbeziehung von Krankheitsaktivität, Therapierisiken und möglichen Therapiealternativen individuell getroffen werden. Besonders geeignet für die Therapie mit Eculizumab sind derzeit:

In erster Linie Patienten mit therapierefraktärer MG, definiert als

  • (klinisch) schwere Myasthenie,
  • seit mindestens einem Jahr erfolglose Behandlung (bezüglich Wirksamkeit, d. h. Patienten, deren Alltagsaktivitäten trotz immunsuppressiver Therapien weiterhin eingeschränkt sind oder bei Therapieabbruch aufgrund von Nebenwirkungen) mit 2 oder mehr immunsuppressiven Therapien (entweder in Kombination oder als Monotherapie),
  • erfolglose Behandlung mit mindestens einer immunsuppressiven Therapie und Notwendigkeit eines dauerhaften Plasmaaustauschs oder von intravenösen Immunglobulinen (IVIg) zur Kontrolle der Symptome, d. h. die Patienten benötigten mindestens alle 3 Monate über die letzten 12 Monate regelmäßig Plasmaaustausch (PE) oder IVIg zur Behandlung der Muskelschwäche.

Es wird empfohlen, die Therapieentscheidung in Absprache mit einem Zentrum mit ausgewiesener Erfahrung in der MG-Behandlung zu treffen und die Patienten im Deutschen Myasthenie-Register (MyaReg) zu erfassen.

Eculizumab ist ein rekombinanter humanisierter monoklonaler Antikörper, der an das humane Komplementprotein C5 bindet und so die sogenannte terminale Komplementkaskade blockiert. Die verhinderte enzymatische Spaltung von C5 führt zur reduzierten Immunaktivierung durch C5a und zur reduzierten Ausbildung des Membranangriffskomplexes mit den Komplementfaktoren C5b-9, sodass die Zerstörung der neuromuskulären Endplatte verhindert werden kann. Eine führende Rolle des Komplementsystems in der Pathophysiologie der MG wurde bereits in frühen neuropathologischen Arbeiten gezeigt.

Im Rahmen der Phase-III-Zulassungsstudie (REGAIN) wurden 62 Patienten mit Eculizumab als Add-on zur laufenden Basistherapie und 63 Patienten mit Placebo behandelt. Der primäre Studienendpunkt (Verbesserung der Aktivitäten des täglichen Lebens) wurde nicht erreicht, allerdings zeigten fast alle sekundären Endpunkte (u. a. Aktivitäten des täglichen Lebens, Lebensqualität) einen signifikanten Vorteil von Eculizumab gegenüber Placebo, beginnend in den ersten vier Behandlungswochen und über sechs Monate anhaltend. Es kam darüber hinaus zu weniger klinischen Verschlechterungen und seltener zu der Notwendigkeit von “Rescue”-Therapien mit PE oder IVIg in der Verumgruppe. In der “open-label” Extensionsstudie bestätigten sich die positiven Resultate über den 3-jährigen Beobachtungszeitraum. In dieser Studie waren ausschließlich Acetylcholin-Rezeptor-AK positive Patienten zugelassen. Deswegen besteht für die LRP4-AK-positive MG für die Therapie mit Eculizumab keine Zulassung, sie ist pathophysiologisch aber sinnvoll (LRP4-Ak aktivieren Komplement). Für die MuSK-AK-positive MG ist die Therapie mit Eculizumab ebenfalls nicht zugelassen. Dies ist jedoch auch pathophysiologisch nicht sinnvoll, da keine Komplementaktivierung durch MuSK-AK besteht.

Eculizumab ist bereits seit mehr als 10 Jahren zur Therapie der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH), und des (atypischen) hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS) und zudem zur Therapie der Aquaporin-4-Antikörper-positiven Neuromyelitis optica im Erwachsenenalter zugelassen.

Kontraindikationen

Eine absolute Kontraindikation besteht bei…

  • Hypersensitivität gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
  • nicht ausgeheilter Infektion mit Neisseria meningitidis.
  • Patienten ohne aktuellen Impfschutz gegen Neisseria meningitidis, es sei denn, sie erhalten bei dringender Therapieindikation eine geeignete Antibiotikaprophylaxe bis zwei Wochen nach der Impfung.

Eine relative Kontraindikation besteht bei…

  • Schwangerschaft oder während der Stillzeit.
  • akuten und chronischen systemischen Infektionen.

Dosierung

Eculizumab wird als intravenöse Infusion verabreicht. Das Dosierungsschema besteht aus einer vierwöchigen Induktionsphase, an die sich eine Erhaltungsphase anschließt. Während der Induktionsphase wird 900 mg Eculizumab über 25 – 45 Minuten einmal wöchentlich über vier Wochen verabreicht. Während der Erhaltungsphase wird 1.200 mg Eculizumab als intravenöse Infusion über 25 – 45 Minuten in Woche 5 verabreicht, gefolgt von 1.200 mg Eculizumab alle 14 ± 2 Tage.

Dosierungsregime

≥ 2 Wo.Meningokokkenimpfung*
Vor der Behandlung
Woche 1900 mg Eculizumab
Woche 2900 mg Eculizumab
Woche 3900 mg Eculizumab
Woche 4900 mg Eculizumab
Induktionsphase
Woche 51.200 mg Eculizumab
Woche 6
Woche 71.200 mg Eculizumab
Woche 8
alle 2 Wo. 1.200 mg Eculizumab
Erhaltungsphase

*bei sofortiger Therapie antibiotische Meningokokkenprophylaxe bis mindestens 2 Wochen nach der ersten Impfung

Pharmakokinetik

  • Bei Patienten mit PNH betrug die mittlere Clearance 0,31 ± 0,12 ml/h/kg, das mittlere Verteilungsvolumen 110,3 ± 17,9 ml/kg und die mittlere Eliminationshalbwertszeit 11,3 ± 3,4 Tage (vergleichbar mit 12,4 Tagen bei einem typischen aHUS Patienten mit einem Körpergewicht von 70 kg). Die pharmakokinetischen Parameter in den Patientengruppen mit PNH, aHUS, NMOSD und refraktärer MG stimmen überein.
  • Auf der Grundlage der o. g. pharmakokinetischen Parameter ist das Erreichen des Steady State nach etwa vier Wochen zu erwarten.
  • Eculizumab wird in die Zellen des retikuloendothelialen Systems endozytotisch aufgenommen und wie alle Antikörper überwiegend durch lysosomale Enzyme katabolisiert. Eculizumab enthält nur natürlich vorkommende Aminosäuren und hat keine bekannten aktiven Metabolite.
  • Es wurden keine speziellen Studien zur Untersuchung der hepatischen, renalen, pulmonalen oder gastrointestinalen Eliminationswege für Eculizumab durchgeführt. Von gesunden Nieren werden Antikörper nicht ausgeschieden.
  • Die Studien mit PNH-, aHUS-, NMOSD-, und MG Patienten ergaben, dass Geschlecht, ethnische Abstammung, Alter oder das Vorliegen einer Nieren- oder Leberfunktionsstörung die Pharmakokinetik von Eculizumab nicht beeinflussen.
  • Eculizumab kann als IgG-Antikörper potentiell in die Muttermilch übergehen und die Plazentaschranke passieren. Bei eingeschränkter Anzahl der Patientinnen, die Eculizumab während der Stillzeit bekommen haben, konnte das Präparat in der Muttermilch nicht nachgewiesen werden.

Pharmakodynamik

  • Eculizumab ist ein terminaler Komplementinhibitor, der spezifisch und mit hoher Affinität an das Komplementprotein C5 bindet. Dadurch wird die C5-Spaltung in die Fragmente C5a und C5b blockiert und die Bildung des terminalen Komplementkomplexes (C5b-9, Membranangriffskomplex) verhindert.
  • Eine Eculizumab-Serumkonzentration von etwa 50 – 100 Mikrogramm/ml reicht für eine praktisch komplette Hemmung der terminalen Komplementaktivität aus (getestet bei aHUS).
  • In seltenen Fällen wurden unter einer Eculizumab-Therapie anti-Eculizumab-Antikörper nachgewiesen, größtenteils transient, die nur vereinzelt auch neutralisierende Aktivität hatten. Es war keine Korrelation von Antikörperentwicklung und klinischem Ansprechen oder unerwünschten Ereignissen zu beobachten.

Diagnostik || vor Therapiebeginn 

Anamnese und klinische Untersuchung zu möglichen Kontraindikationen

Durch Anamnese und klinische Untersuchung sollten gezielt vor jeder Eculizumab-Infusion mögliche Kontraindikationen (insbesondere Infektionen) ausgeschlossen werden. Anamnese und Untersuchung müssen detailliert dokumentiert werden (obligat). Bei Patienten mit aktiver systemischer Infektion sollte der Therapiebeginn verschoben werden, bis die Infektion vollständig kontrolliert ist (obligat). Aufgrund der Gefahr der Infekt assoziierten Verschlechterungen der MG, sollte jedoch eine längere Therapiepause vermieden werden und ggf. die Therapie unter antibiotischer Abschirmung eingeleitet werden.

Labor-Basisprogramm

  • Routinelaborparameter: Die Bestimmung von Blutbild plus Differentialblutbild, Leberwerten (GOT, GPT, GGT, Bilirubin) und Nierenwerten (Kreatinin) vor Therapiebeginn ist obligat.
  • Entzündungs- und Infektionsparameter: Vor der Einstellung auf Eculizumab sollte ein Screening auf akute Entzündungen (CRP, Urinstatus) und chronische bakterielle und virale Infektionen (Lues, HBV, HCV, HIV) erfolgen (obligat). Bei V. a. Tbc in der Vorgeschichte oder Personen, die in Gebieten mit höherer Tbc-Prävalenz leben bzw. Kontakt zu Tbc-Erkrankten haben, sollte auf eine Tbc-spezifische Immunreaktion untersucht werden (mittels Tbc-spezifischem ELISPOT oder Interferon-Release-Test, z. B. Quantiferon®) (fakultativ) und bei positivem Testergebnis die Gefahr einer Tbc-Reaktivierung abgeklärt werden (Röntgen-Thorax und ggf. weitere Diagnostik) (fakultativ). Zudem sollte überprüft werden, ob Immunität gegen das Varizella-Zoster-Virus vorhanden ist (fakultativ).
  • Impfstatus: Die Blockade der terminalen Komplementkaskade durch Eculizumab erhöht das Risiko von Infektionen, insbesondere mit bekapselten Bakterien (z. B. Neisseria meningitidis und Neisseria gonorrhoeae). Es wurde über Fälle von schwerwiegenden bzw. tödlich verlaufenden Meningokokken- sowie Aspergillus-Infektionen bei mit Eculizumab behandelten Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie und (atypischem) hämolytisch-urämischem Syndrom berichtet. Die Patienten müssen daher mindestens zwei Wochen vor der ersten Verabreichung von Eculizumab gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, Y, W135 (Impfstoffe: Menveo®, Nimenrix®, jeweils eine Dosis) und B (Impfstoffe: Bexsero® [2 Dosen], Trumenba® [2 oder 3 Dosen]) geimpft werden. Die Impfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, Y, W135 bzw. B können bei der ersten Gabe an separater Injektionsstelle (bevorzugt: Deltamuskel der Oberarme) gleichzeitig gegeben werden. Die Impfung mit Bexsero® muss mit mindestens vier Wochen Abstand einmalig wiederholt werden. Die Impfung mit Trumenba® kann entweder nach sechs Monaten einmalig oder mit mindestens vier Wochen Abstand und danach erneut mit mindestens vier Monaten Abstand wiederholt werden. Wenn ein sofortiger Behandlungsbeginn notwendig ist (z. B. bei myasthener Verschlechterung), muss eine Antibiotikaprophylaxe gestartet und bis zwei Wochen nach der ersten Impfung fortgeführt werden. Da Chinolone eine MG verschlechtern können, kommen hierfür in Frage: 1. Wahl: Penicillin V 2 x 1 Mio IE/Tag p. o. (CAVE: Keine zuverlässige Elimination von Meningokokken aus dem Nasen-Rachen-Raum), 2. Wahl: Cefixim 1 x 200 mg/Tag p.o. (CAVE: Begünstigung von Resistenzbildungen und Clostridium difficile-Colitis), ggf. auch Rifampicin 2x 600mg/Tag p.o. (cave: Interaktionen). Eine erfolgte Impfung schließt allerdings eine mögliche Meningokokkeninfektion nicht aus. Im weiteren Verlauf wird eine Auffrischung alle zwei bis drei Jahre empfohlen. Zudem sollte der Impfstatus generell vor Therapie überprüft und ggf. aktualisiert werden. Eine Impfung gegen Pneumokokken ist in jedem Alter empfehlenswert und obligat bei Patienten unter 18 Jahren (Off-Label Anwendung) und über 60 Jahren. Patienten unter 18 Jahren (Off-Label Anwendung) müssen zudem gegen Haemophilus influenzae geimpft werden (obligat).
  • Schwangerschaftstest: Bei Patientinnen im gebärfähigen Alter muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen oder die Schwangerschaft anderweitig sicher ausgeschlossen sein (obligat).

Dokumentierte Aufklärung der Patienten über Therapie und Risiken

Eine standardisierte Aufklärung über Risiken und Nutzen der Eculizumab-Therapie und eine schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten sind vor Behandlungsbeginn obligat.

Es sollte speziell auf ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden und potentiell tödlich verlaufenden Infektionen (in erster Linie Meningokokken-Infektionen, v. a. Meningokokken-Sepsis [1:400 pro Jahr] sowie auch Infektionen durch Neisseria gonorrhoeae, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae B und Schimmelpilz der Gattung Aspergillus) sowie auf Vorsichtsmaßnahmen (sofortige ärztliche Vorstellung und ggf. früher Beginn einer entsprechenden Antibiotikatherapie) ausführlich eingegangen werden. Den Patienten muss vor Therapiebeginn das als Teil der Zulassungsauflagen erstellte Schulungsmaterial zu Soliris® in Form der verfügbaren Informationsbroschüre sowie die Patientenkarte ausgehändigt werden.

Vortherapien || Abstand und Maßnahmen

In der REGAIN Studie wurde Eculizumab als Add-on-Therapie eingesetzt. Neben Kortikosteroiden hatten die Patienten Azathioprin, Mycophenolat mofetil, Ciclosporin, Tacrolimus, Methotrexat oder auch Cyclophosphamid als bisherige Immunsuppression erhalten. Aufgrund einer möglichen Verschlechterung der MG sollte Eculizumab daher überlappend begonnen werden. Bei Wechsel von Rituximab oder einer anderen immunsuppressiven Dauertherapie sollten – sofern klinisch vertretbar – eventuelle Laborveränderungen (z. B. Lympho-/Leukopenien, Leberwerterhöhungen) und Nebenwirkungen grundsätzlich abgeklungen sein (fakultativ).

Während der Infusion

Die Verabreichung von Eculizumab kann selten (< 1 %) zu einer akuten Infusionsreaktion oder anaphylaktischen Reaktionen führen. Die Therapie soll daher nur unter entsprechenden Kautelen und engmaschiger Überwachung von erfahrenem medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden (obligat). Die Infusionen müssen über 25 – 45 Minuten über eine Venenverweilkanüle mit sicherer intravenöser Lage durchgeführt werden (obligat). Die Patienten sollen während und eine Stunde lang nach der Infusion überwacht werden. Falls während der Verabreichung eine Nebenwirkung auftritt, kann die Infusion nach Ermessen des Arztes oder der Ärztin verlangsamt oder abgesetzt werden. Wenn die Infusion verlangsamt wird, sollte die Gesamtinfusionsdauer bei Erwachsenen zwei Stunden nicht überschreiten. Bei schweren Reaktionen muss die Infusion gestoppt werden und eine symptomatische Therapie eingeleitet werden.

Mittel zur Behandlung anaphylaktischer und/oder schwerer Reaktionen müssen verfügbar und das Infusionsteam hinsichtlich der Behandlung von anaphylaktischen und/oder schweren Infusionsreaktionen geschult sein (obligat). Ein uneingeschränkter Zugang zu einer intensivmedizinischen Versorgungs- und Behandlungseinheit im eigenen Haus oder im nächstgelegenen Krankenhaus (z. B. via Rettungstransportwagen) ist nach der Erstversorgung einer schweren Infusions- oder allergischen Reaktion erforderlich (obligat).

Bezüglich der Handhabung und Herstellung der Infusionslösung sowie der Infusionsgeschwindigkeit sollte die Fachinformation herangezogen werden.

Monitoring

Klinisch-neurologische Kontrolle

Vor jeder Medikamentengabe sollen Patienten gezielt nach Zeichen einer Infektion (insbes. systemische Infektion oder Meningitis) befragt bzw. untersucht werden (obligat). Nach dem ersten Behandlungsmonat und dann vierteljährlich müssen klinisch-neurologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (obligat). Hierbei sollte regelhaft der MG-ADL und der QMG (mindestens vierteljährlich) zur Dokumentation eines Therapieansprechens bestimmt werden. Die Meningokokken-Impfung (gegen Serogruppen A, C, Y, W135 und B) soll alle zwei bis drei Jahre aufgefrischt werden.

Labor-Basisprogramm

Blutbild und Differentialblutbild sowie Leberparameter (GOT, GPT, Bilirubin, AP) und Nierenwerte (Kreatinin) müssen zu Therapiebeginn in Abhängigkeit möglicher Vortherapien zunächst nach zwei und vier Wochen (obligat) und danach bei guter Verträglichkeit alle drei Monate (fakultativ) erfolgen.

Impfungen

Die Meningokokken-Impfung (gegen Serogruppen A, C, Y, W135 und B) soll alle zwei bis drei Jahre aufgefrischt werden.

Während der Therapie

Myasthene Krisen, die unter Eculizumab-Therapie auftreten, können mittels intravenöser Immunglobuline (IVIg) oder Plasmapherese oder Immunadsorption (IA) behandelt werden. Dabei muss mit einer beschleunigten Elimination von Eculizumab gerechnet werden, daher sollte die PE/IA, falls möglich, vor der Eculizumab-Gabe erfolgen. Um die Wirkung von Eculizumab trotz einer Apherese-Therapie aufrechtzuerhalten, soll gemäß Fachinformation innerhalb von einer Stunde nach jeder Apherese-Sitzung 600 mg Eculizumab verabreicht werden. Die klinische Relevanz von zusätzlichen Eculizumab-Gaben während einer Apherese-Therapie wurde bei MG nicht untersucht. Potentiell sorgt auch die IVIg-Behandlung für eine Beeinflussung des Recyclingmechanismus von Eculizumab. Klinische Daten über die Interaktion von Eculizumab mit einer IVIg-Gabe liegen jedoch nicht vor.

Besondere Hinweise

Schwangerschaft und Stillzeit

  • Grundsätzlich sollte Eculizumab während der Schwangerschaft/Stillzeit nicht angewendet werden. Gemäß der EMA Empfehlungen sind Frauen im gebärfähigen Alter auf die Notwendigkeit einer wirksamen Empfängnisverhütung während der Behandlung und mindestens fünf Monate nach der letzten Eculizumab-Dosis hinzuweisen (obligat).
  • Eine unerwartete Schwangerschaft unter Eculizumab ist keine zwingende Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch.
  • Sollte nach einer kritischen Nutzen-Risiko-Analyse im Rahmen einer individuellen Therapieentscheidung die Behandlung während einer Schwangerschaft für notwendig erachtet werden, wird zu einer strengen Überwachung von Mutter und Fetus entsprechend den lokalen Leitlinien geraten. Aus den zur Verfügung stehenden begrenzten Daten geht hervor, dass Eculizumab nicht in messbaren Mengen in die Muttermilch übergeht bzw. negative Effekte auf die gestillten Kinder hat. Aufgrund der Einschränkungen der verfügbaren Daten sollte Stillen während der Eculizumab-Therapie vermieden werden.

Es liegen keine Studien an Schwangeren vor. Daten über eine begrenzte Zahl von exponierten Schwangeren deuten nicht auf ein erhöhtes fetales Fehlbildungsrisiko oder eine fetale/neonatale Toxizität von Eculizumab hin (Fachinfo).

Impfungen

Bezüglich der Impfungen vor Therapiebeginn s. Punkt 2, Abschnitt Impfstatus. Nach abgeschlossenen Meningokokken-Impfungen wird im weiteren Verlauf eine Auffrischung alle zwei bis drei Jahre empfohlen.

Infektionen

Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos für bestimmte Erreger (s. o.) ist eine erhöhte Vigilanz erforderlich. Bei akuten Infektionen unter Eculizumab sind unverzüglich Maßnahmen zu Diagnostik und Therapie einzuleiten. Neben Meningokokken-Infektionen wurden schwere disseminierte Gonokokken- und Aspergillus-Infektionen sowie Infektionen durch Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenza B (HiB) beschrieben.

Dauer der Therapie

MG ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, weshalb eine langfristige Immuntherapie grundsätzlich empfohlen wird. In der Extension der REGAIN-Studie, in der die Patienten im Median 130 Wochen behandelt wurden, hielt die Wirksamkeit der Eculizumab-Therapie an. Es wurden keine neuen Nebenwirkungen beobachtet. Das erhöhte Risiko von schwerwiegenden Infektionen und der hohe Therapieaufwand schränken eine lebenslange Therapie möglicherweise ein. Die Therapie mit Eculizumab sollte im Verlauf regelmäßig reevaluiert werden.

In der größten aktuell verfügbaren Pharmakovigilanzstudie bei PNH und aHUS (28.518 Patientenjahre) zeigten sich keine relevanten neuen Sicherheitssignale über eine Therapiedauer von max. zehn Jahren. Das Risiko einer Meningokokken-Infektion war am höchsten in den ersten zwei Jahren nach Zulassung (2007: 0,57 bzw. 2008: 0,63/100 Patientenjahre), verringerte sich mit der Zeit und lag durchschnittlich bei 0,25/100 Patientenjahren.

Patientenaufklärung

Die DMG stellt einen Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Eculizumab für Sie bereit. Diesen können Sie hier herunterladen.

Autoren

  • PD Dr. med. Marc Pawlitzki

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

  • Univ.-Prof. Dr. med. Tobias Ruck

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

  • Dr. med. Charlotte Schubert

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Autoren

PD Dr. med. Marc Pawlitzki

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Univ.-Prof. Dr. med. Tobias Ruck

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Dr. med. Charlotte Schubert

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf