Myasthenie

Zilucoplan (Zilbrysq®)

Indikation

Zilucoplan (Zilbrysq®) ist seit 2024 als Zusatztherapie zur Standardbehandlung der generalisierten, Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper-positiven Myasthenia gravis (AChR-Ak positive gMG) zugelassen. In der Zulassungsstudie RAISE wurden nur Acetylcholin-Rezeptor-Ak-seropositive Patienten der MGFA-Klasse II – IV untersucht. Direkte prospektive Vergleichsdaten zur Wirksamkeit gegenüber weiteren, im Myasthenie-Qualitätshandbuch beschriebenen In-Label-Therapieoptionen (Ravulizumab, Eculizumab, Efgartigimod und Rozanolixizumab) oder Off-Label -Therapieoptionen (z. B. Rituximab, Mycophenolat-Mofetil) liegen nicht vor.
Die Entscheidung zur Therapie mit Zilucoplan sollte nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung unter Einbeziehung von Krankheitsaktivität, Therapierisiken und möglichen Therapiealternativen individuell getroffen werden. Besonders geeignet für die Zusatztherapie mit Zilucoplan sind derzeit:

in erster Linie MG-Patienten unter Standardtherapie, die

  • weiterhin (klinisch) relevante myasthene Symptome haben.
  • die kein ausreichendes Ansprechen auf eine Immunsuppression zeigen, die hinreichend hoch dosiert und hinreichend lange eingesetzt wurde.
  • die aufgrund von Medikamentennebenwirkungen die bisherige Therapie abbrechen.
  • die wiederholt eskalierte Therapiemaßnahmen wie intravenöse Immunglobuline, Plasmaaustausch, Immunadsorption und / oder die einen intensivmedizinischen Aufenthalt (z. B. bei myasthener Krise) benötigen.

Es wird empfohlen, die Therapieentscheidung in Absprache mit einem Zentrum mit ausgewiesener Erfahrung in der MG-Behandlung zu treffen und die Patienten im Myasthenie-Register zu erfassen.

Zilucoplan ist ein kleines, subkutan verabreichtes, makrozyklisches Peptid, das die Spaltung der Komplementkomponente C5 hemmt und an die Untereinheit C5b bindet. Das Komplementsystem schützt generell vor Infektionen und wird normalerweise bei der Immunantwort auf zahlreichen Oberflächen von Mikroorganismen aktiviert. Bei Autoimmunerkrankungen ist die Immunantwort allerdings fälschlicherweise gegen körpereigenes Gewebe gerichtet (im Fall der MG gegen Bestandteile des neuromuskulären Systems), so dass das Komplementsystem eigene Zellen attackiert.
Die subkutanen Injektionen werden einmal täglich und ungefähr zur gleichen Uhrzeit verabreicht. Eine Monitorüberwachung ist nicht notwendig. Bevor die Anwendung selbstständig zuhause erfolgen kann, ist jedoch eine Anleitung und Injektion unter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal vorgesehen.
In der Phase-III-Studie RAISE war 12 Wochen nach Therapiebeginn der primäre Endpunkt (Verbesserung des patientenbasierten Scores Myasthenia gravis-Activities of Daily Living (MG-ADL) im Vergleich zum Ausgangswert) signifikant besser in der Zilucoplan – verglichen zur Placebogruppe (4.39 vs. 2.30; p-Wert <0.001).
In dieser Studie waren ausschließlich Acetylcholin-Rezeptor-Ak-positive Patienten zugelassen. Deswegen besteht für die Low density Lipoprotein-receptor-related-protein (LRP4)-Ak-positive MG für die Therapie mit Zilucoplan keine Zulassung, sie ist pathophysiologisch aber sinnvoll (LRP4-Ak aktivieren das Komplementsystem). Für die muskelspezifische Kinase (MuSK)-Ak-positive MG ist die Therapie mit Zilucoplan ebenfalls nicht zugelassen. Dies ist pathophysiologisch auch nicht sinnvoll, da Antikörper der MuSK MG in der Regel der Subklasse IgG4 angehören, welche keine Komplementaktivierung vermittelt.

Kontraindikationen

Eine absolute Kontraindikation besteht bei

  • Hypersensitivität gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
  • nicht ausgeheilter Infektion mit Neisseria meningitidis.
  • Patienten ohne aktuellen Impfschutz gegen Neisseria meningitidis, es sei denn, sie erhalten in Ausnahmefällen bei dringender Therapieindikation eine geeignete Antibiotikaprophylaxe bis zwei Wochen nach der Impfung.

Eine relative Kontraindikation besteht bei

  • Schwangerschaft oder während der Stillzeit.
  • akuten und chronischen systemischen Infektionen.


Dosierung

Zilucoplan wird als subkutane Spritze eigenständig durch den Patienten einmal täglich zur jeweils gleichen Uhrzeit verabreicht. Bei jeder Gabe wird 1 Fertigspritze verabreicht. Das betreuende medizinisches Team ist angehalten, die Handhabung vor Beginn der Therapie ausführlich zu demonstrieren und zu erklären. Geeignete Injektionsstellen sind die Vorderseite der Oberschenkel, der Bauch und die Rückseite der Arme. Sollte eine Spritze vergessen worden sein, dann sollte sie noch am selben Tag appliziert werden. Am Folgetag ist mit der normalen Dosis fortzufahren. Es sollte nicht mehr als eine Dosis pro Tag verabreicht werden. Die tägliche Gesamtdosis richtet sich nach dem Körpergewicht und wird in drei Körpergewichtsbereiche eingeteilt. Dabei entspricht die empfohlene Dosis ungefähr 0,3 mg/kg.

KörpergewichtDosisZUSAMMENSETZUNG
INJEKTIONSLÖSUNG
ANZAHL DER FERTIGSPRITZEN
NACH FARBE
< 56 KG16,6 mg16,6 mg Zilucoplan in 0,416 ml
(40 mg/ml)
1 (rubinrot)
≥ 56 BIS < 77 KG23 mg23 mg Zilucoplan in 0,574 ml
(40 mg/ml)
1 (orangefarbig)
≥ 77 KG32,4 mg32,4 mg Zilucoplan in 0,810 ml (40 mg/ml)1 (dunkelblau)
Tabelle 1 Körpergewichtsbereiche und Dosierungsregime

Lagerung und Haltbarkeit

Zilucoplan Fertigspritzen werden bei 2 – 8°C im Kühlschrank gelagert. Zum Schutz vor Licht sollte das Medikament vor der Anwendung im Umkarton verbleiben. Wird die Kühlkette unterbrochen (Lagerung bei Raumtemperatur), darf Zilucoplan nicht erneut im Kühlschrank gelagert werden. Zilucoplan darf im Originalkarton bei Raumtemperatur bis 30 °C für maximal 3 Monate verwendet werden (bzw. bis zum Verfallsdatum). Im Anschluss ist eine Verwendung nicht mehr möglich.

Pharmakokinetik

  • Bei Patienten mit MG betrug die mittlere terminale Eliminationshalbwertzeit im Plasma etwa 172 Stunden (7 – 8 Tage).
  • Auf der Grundlage der o. g. pharmakokinetischen Parameter ist die maximale Plasmakonzentration zwischen 3 und 6 Stunden nach der Dosisgabe zu erwarten und das Erreichen der Steady-State-Talkonzentration bis Woche 4 zu erwarten.
  • Das Körpergewicht ist eine signifikante Kovariable, die die Pharmakokinetik von Zilucoplan signifikant beeinflusst. Auf dieser Grundlage wurden Körpergewichtskategorien (siehe Tabelle 1) festgelegt.
  • Nach Injektion von Zilucoplan wurden 2 Metaboliten, der aktive (RA103488) und der wichtigste inaktive Metabolit (RA102758) im Plasma nachgewiesen. Die Bildung von RA103488 ist hauptsächlich auf Cytochrom CYP450 4F2 zurückzuführen. RA103488 hat eine ähnliche pharmakologische Aktivität wie Zilucoplan, ist aber im Vergleich zu Zilucoplan in einer viel geringeren Konzentration vorhanden. Der Beitrag von RA103488 zur pharmakologischen Aktivität ist gering.
  • Die Wirkung einer Nierenfunktionsstörung auf die Pharmakokinetik von Zilucoplan und seinen Metaboliten wurde in einer offenen Phase-I-Studie untersucht. Die systemische Exposition gegenüber Zilucoplan und dem wichtigsten inaktiven Metaboliten RA102758 unterschied sich bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung im Vergleich zu Patienten mit normaler Nierenfunktion nicht. Die Exposition gegenüber dem aktiven Metaboliten RA103488 war bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung im Vergleich zu Patienten mit normaler Nierenfunktion etwa 1,5-mal höher. Eine Empfehlung zur Dosisanpassung resultiert daraus nicht.
  • Es ist nicht bekannt, ob das Präparat in die Muttermilch übergeht.

Pharmakodynamik

  • Die pharmakodynamische Wirkung von Zilucoplan wurde anhand der Fähigkeit analysiert, die Ex-vivo-Lyse von Komplement-induzierten Schaf-Erythrozyten zu hemmen. Daten aus den Phase-II- und Phase-III-Studien zeigen bei den oben genannten Standarddosierungen eine schnelle, vollständige (>95 %) und anhaltende Komplementinhibition mit Zilucoplan.
  • Die bis dato in den Studien untersuchte Entwicklung von Anti-Drug-Ak (ADA) und Ak gegen Polyethylenglycol (PEG) erbrachten geringe Ak-Titer ohne Hinweise auf einen Einfluss auf die Pharmakokinetik und die Pharmakodynamik. Auch fanden sich keine Hinweise auf einen klinisch bedeutsamen Einfluss auf die Wirksamkeit oder Sicherheit von Zilucoplan.

Diagnostik vor Beginn mit Zilucoplan

  1. Anamnese und klinische Untersuchung zu möglichen Kontraindikationen
    Durch Anamnese und klinische Untersuchung sollten gezielt vor der Erstgabe von Zilucoplan mögliche Kontraindikationen (insbesondere Infektionen) ausgeschlossen werden, da Zilucoplan auf einen Teil des Immunsystems wirkt und dessen Fähigkeit verringern kann, bestimmte Infektionen zu bekämpfen. Anamnese und Untersuchung müssen detailliert dokumentiert werden (obligat). Bei Patienten mit aktiver systemischer Infektion sollte der Therapiebeginn verschoben werden, bis die Infektion vollständig kontrolliert ist (obligat). Aufgrund der Gefahr der infektassoziierten Verschlechterungen der MG sollte jedoch eine längere Therapiepause vermieden werden und ggf. die Therapie unter antibiotischer Abschirmung eingeleitet werden.
  2. Labor-Basisprogramm
    Routinelaborparameter: Die Bestimmung von Blutbild plus Differentialblutbild, Leberwerten (GOT, GPT, GGT, Bilirubin), Nierenwerten (Kreatinin) und Pankreasenzymen (Lipase, Amylase) vor Therapiebeginn ist obligat.
  • Entzündungs- und Infektionsparameter: Vor der Einstellung auf Zilucoplan sollte ein Screening auf akute Entzündungen (CRP, Urinstatus) und chronische bakterielle und virale Infektionen (Lues, HBV, HCV, HIV) erfolgen (obligat). Bei V. a. Tbc in der Vorgeschichte oder Personen, die in Gebieten mit höherer Tbc-Prävalenz leben bzw. Kontakt zu Tbc-Erkrankten haben, sollte auf eine Tbc-spezifische Immunreaktion untersucht werden (mittels Tbc-spezifischem ELISPOT oder Interferon-Release- Test, z. B. Quantiferon®) (fakultativ) und bei positivem Testergebnis die Gefahr einer Tbc-Reaktivierung abgeklärt werden (Röntgen-Thorax und ggf. weitere Diagnostik) (fakultativ). Zudem sollte überprüft werden, ob Immunität gegen das Varizella-Zoster-Virus vorhanden ist (fakultativ).
  • Impfstatus: Die Blockade der terminalen Komplementkaskade durch Zilucoplan erhöht das Risiko von Infektionen, insbesondere mit bekapselten Bakterien (z. B. Neisseria meningitidis und Neisseria gonorrhoeae). Meningokokken-Infektionen können zu einer Meningitis führen oder zu einer Septikämie. Die Patienten müssen daher mindestens zwei Wochen vor der ersten Verabreichung von Zilucoplan gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, Y, W135 (Impfstoffe: Menveo®, Nimenrix®, jeweils eine Dosis) und B (Impfstoffe: Bexsero® [2 Dosen], Trumenba® [2 oder 3 Dosen]) geimpft werden. Die Impfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, Y, W135 bzw. B können bei der ersten Gabe an separater Injektionsstelle (bevorzugt: Deltamuskel der Oberarme) gleichzeitig gegeben werden. Die Impfung mit Bexsero® muss mit mindestens vier Wochen Abstand einmalig wiederholt werden. Die Impfung mit Trumenba® kann entweder nach sechs Monaten einmalig oder mit mindestens vier Wochen Abstand und danach erneut mit mindestens vier Monaten Abstand wiederholt werden. Wenn ein sofortiger Behandlungsbeginn notwendig ist (z. B. bei myasthener Verschlechterung), muss eine Antibiotikaprophylaxe gestartet und bis zwei Wochen nach der ersten Impfung fortgeführt werden. Da Chinolone eine MG verschlechtern können, kommen hierfür in Frage: 1. Wahl: Penicillin V 2 x 1 Mio. IE/Tag p. o. (CAVE: Keine zuverlässige Elimination von Meningokokken aus dem Nasen-Rachen-Raum), 2. Wahl: Cefixim 1  200 mg/Tag p. o. (CAVE: Begünstigung von Resistenzbildungen und Clostridium difficile-Colitis), ggf. auch Rifampicin 2 600 mg/ Tag p. o. (cave: Interaktionen). Die Antibiotikatherapie sollte erst unter laufender Zilucoplan-Therapie durchgeführt werden. Eine erfolgte Impfung schließt allerdings eine mögliche Meningokokkeninfektion nicht aus. Bei einer langfristigen Therapie mittels Komplementinhibition wird im Verlauf eine Auffrischung der Meningokokken Typ B Impfung alle zwei bis drei Jahre empfohlen. Eine Booster-Impfung der Meningokokken vom Typ A, C, Y und W135 sollte alle 5 Jahre erfolgen (PMID: 33417592). Zudem sollte der Impfstatus generell vor Therapie überprüft und ggf. aktualisiert werden. Eine Impfung gegen Pneumokokken ist in jedem Alter empfehlenswert und obligat bei Patienten unter 18 Jahren (Off-Label Anwendung) und über 60 Jahren. Patienten unter 18 Jahren (Off-Label Anwendung) müssen zudem gegen Haemophilus influenzae geimpft werden (obligat).
  • Schwangerschaftstest: Bei Patientinnen im gebärfähigen Alter muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen oder die Schwangerschaft anderweitig sicher ausgeschlossen sein (obligat).

Dokumentierte Aufklärung der Patienten über Therapie und Risiken Eine standardisierte Aufklärung über Risiken und Nutzen der Zilucoplan-Therapie und eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten sind vor Behandlungsbeginn obligat (entsprechendes Aufklärungsmaterial finden Sie hier).
Vergleichbar zu den anderen Komplementinhibitoren Eculizumab und Ravulizumab sollte speziell auf ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden und potentiell tödlich verlaufenden Infektionen (in erster Linie Meningokokken-Infektionen, v. a. Meningokokken-Sepsis sowie auch Infektionen durch Neisseria gonorrhoeae, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae B und Schimmelpilz der Gattung Aspergillus) sowie auf Vorsichtsmaßnahmen (sofortige ärztliche Vorstellung und ggf. früher Beginn einer entsprechenden Antibiotikatherapie) ausführlich eingegangen werden. Zilucoplan kann nur über einen kontrollierten Zugang verordnet werden, der sicherstellt, dass nur gegen Neisseria meningitidis geimpfte bzw. ggf. zusätzlich prophylaktisch mit Antibiotika behandelte Patienten mit Zilucoplan therapiert werden. Die Informationsmaterialien zum kontrollierten Zugang sowie die Möglichkeit des Ausfüllens der Impferklärung finden Sie unter:
https://hcp.zilucoplancap.eu/DEU/signin.html Einmalig muss sich der behandelnde Arzt zuvor registrieren. Mit der Bestätigung der Impfung wird eine Patienten-ID- generiert, die sowohl in der Patientenkarte als auch auf dem Rezept zur Verordnung von Zilucoplan eingetragen werden muss. Den Patienten muss vor Therapiebeginn das als Teil der Zulassungsauflagen erstellte Schulungsmaterial zu Zilbrysq® in Form der verfügbaren Informationsbroschüre sowie die Patientenkarte ausgehändigt werden.

Abstand und Maßnahmen abhängig von Vortherapien

In der RAISE-Studie wurde Zilucoplan als Add-On-Therapie eingesetzt. Bei Studieneintritt sollten die Patienten auf eine stabile MG-spezifische Therapie eingestellt sein, die neben Cholinesteraseinhibitoren auch Kortikosteroide, Azathioprin, Mycophenolat mofetil, Ciclosporin, Tacrolimus oder Methotrexat beinhaltete. Eine Kombinationstherapie mit Zilucoplan ist somit unter den standardmäßigen Laborkontrollen für die genannten Immunsuppressiva möglich.
An vorherigen Therapien hatten einige der Patienten zu den bereits genannten Immunsuppressiva auch Cyclophosphamid, intravenöse Immunglobuline oder auch Rituximab erhalten. Aufgrund einer möglichen Verschlechterung der MG sollte Zilucoplan möglichst nicht nach Therapiepause, sondern überlappend begonnen werden. Bei Wechsel der immunsuppressiven Dauertherapie sollten – sofern klinisch vertretbar – eventuelle Laborveränderungen (z. B. Lympho-/ Leukopenien, Leberwerterhöhungen) und Nebenwirkungen grundsätzlich abgeklungen sein (fakultativ). Zu beachten ist noch für die gleichzeitige Gabe von Rituximab und Zilucoplan, dass aufgrund einer möglichen Hemmung einer Komplement-abhängigen Zytotoxizität von Rituximab, Zilucoplan die
erwarteten pharmakodynamischen Wirkungen von Rituximab verringern kann.

Durchführung der Injektion

Die erste(n) Injektion(en) werden vom medizinischen Fachpersonal gezeigt bzw. unter deren Anleitung durchgeführt (obligat). Eine Überwachung insbesondere der Herz-Kreislaufparameter ist nicht notwendig. Entsprechend des Verabreichungsmodus hat die Injektion von Zilucoplan am häufigsten zu einer Rötung an der Injektionsstelle geführt. Alle lokalen Reaktionen waren nicht schwerwiegend und von milder Ausprägung.

Monitoring und Maßnahmen unter Zilucoplan

  1. Klinisch-neurologische Kontrolle
    Vor jeder Medikamenten-Gabe sollen Patienten gezielt auf Zeichen einer Infektion (insbes. systemische Infektion oder Meningitis) achten (obligat). Nach dem ersten Behandlungsmonat und dann vierteljährlich müssen klinisch-neurologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (obligat). Hierbei sollte regelhaft der MG-ADL, MG-QoL und der QMG zur Dokumentation (mindestens vierteljährlich) eines Therapieansprechens bestimmt werden.
  2. Labor-Basisprogramm
    Blutbild und Differentialblutbild sowie Leberparameter (GOT, GPT, Bilirubin, AP), Nierenwerte (Kreatinin) und Pankreasenzyme (Lipase, Amylase) müssen zu Therapiebeginn in Abhängigkeit möglicher Vortherapien zunächst nach vier Wochen (obligat) und danach bei guter Verträglichkeit alle drei Monate (fakultativ) erfolgen.
  3. Impfungen
    Die Meningokokken-Impfung gegen die Serogruppe B soll alle zwei bis drei Jahre aufgefrischt werden. Die Meningokokken-Impfung gegen die Serogruppen A, C, Y und W135 alle 5 Jahre.

Während der Zilucoplan-Therapie

Myasthene Krisen, die unter Zilucoplan-Therapie auftreten, können mittels intravenöser Immunglobuline (IVIg), Plasmapherese (PE) oder Immunadsorption (IA) behandelt werden. Die klinische Relevanz von zusätzlichen Zilucoplan-Gaben während einer Apherese- oder IVIg-Behandlung wurde bei MG nicht untersucht.

Besondere Hinweise

Schwangerschaft und Stillzeit

  • Grundsätzlich sollte Zilucoplan während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden. Gemäß der EMA-Empfehlungen sind Frauen im gebärfähigen Alter auf die Notwendigkeit einer wirksamen Empfängnisverhütung während der Behandlung und mindestens acht Monate nach der letzten Zilucoplan-Dosis hinzuweisen (obligat).
  • Bisher liegen keine klinischen Daten zur Anwendung von Zilucoplan bei Schwangeren vor. Eine unerwartete Schwangerschaft unter Zilucoplan ist keine zwingende Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch.
  • Sollte nach einer kritischen Nutzen-Risiko-Analyse im Rahmen einer individuellen Therapieentscheidung die Behandlung während einer Schwangerschaft für notwendig erachtet werden, wird zu einer strengen Überwachung von Mutter und Fetus entsprechend den lokalen Leitlinien geraten.
  • Aus den zur Verfügung stehenden Daten ist nicht bekannt, ob Zilucoplan in die Muttermilch abgegeben wird oder nach der Aufnahme durch das Neugeborene / Kind systemisch resorbiert wird. Ein Risiko für das Neugeborene / Kind kann nicht ausgeschlossen werden.
  • Es muss eine individuelle Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob die Behandlung mit Zilucoplan zu unterbrechen ist. Dabei soll sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Patientin berücksichtigt werden.

Impfungen
Bezüglich der Impfungen vor Therapiebeginn s. Punkt 2, Abschnitt Impfstatus. Nach abgeschlossenen Meningokokken-Impfungen wird im weiteren Verlauf eine Auffrischung alle zwei bis drei Jahre empfohlen.

Infektionen
Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos für bestimmte Erreger (s. o.) ist eine erhöhte Vigilanz erforderlich. Bei akuten Infektionen unter Zilucoplan sind unverzüglich Maßnahmen zu Diagnostik und Therapie einzuleiten.

Dauer der Therapie

MG ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, weshalb eine langfristige Immuntherapie grundsätzlich empfohlen wird. Entsprechende Daten zur Langzeitanwendung von Zilucoplan bei MG liegen aktuell noch nicht vor. Die Therapie mit Zilucoplan sollte im Verlauf regelmäßig reevaluiert werden.

Referenzen:
Zilucoplan Fachinformation
Mbaeyi SA, Bozio CH, Duffy J, et al. Meningococcal Vaccination: Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices, United States, 2020. MMWR Recomm Rep 2020;69(No. RR-9):1–41. DOI: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.rr6909a1.
PMID: 33417592

Autoren

Diese Empfehlung wurde von der Deutschen Myasthenie Gesellschaft e. V. unter der Federführung folgender Autoren erstellt:

  • Dr. med. Meret Herdick

    Klinik für Neurologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

  • Dr. med. Dr. sc. nat. Christian Keller

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster

  • Univ.-Prof. Dr. med. Jan Lünemann

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster

  • PD Dr. med. Jana Zschüntzsch

    Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen

Autoren

Dr. med. Meret Herdick

Klinik für Neurologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Dr. med. Dr. sc. nat. Christian Keller

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster

Univ.-Prof. Dr. med. Jan Lünemann

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster

PD Dr. med. Jana Zschüntzsch

Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen