Die u. g. Angaben beziehen sich auf eine Therapie mit Prednison/Prednisolon.
Indikation
Okuläre und generalisierte Myasthenia gravis und Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom, unabhängig vom Antikörperstatus.
Kontraindikationen
Eine absolute Kontraindikation besteht bei…
- anaphylaktoiden Reaktionen gegen GKS bzw. allergische Reaktionen gegen spezifische GKS-Präparate (Beistoffe).
- florider erregerbedingter Pneumonie, Sepsis.
- frischer tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie.
Eine relative Kontraindikation besteht bei…
- Diabetes mellitus: engmaschigere Blutzucker-Kontrollen und passagere Anpassung der Diabetes-Medikation (einschließlich vorübergehender Insulin-Therapie bei Typ-II-Diabetikern).
- bekannten psychiatrischen Erkrankungen oder entsprechenden Symptomen in der Anamnese: strenge Indikationsstellung, ggf. Komedikation oder Durchführung unter stationären Bedingungen.
- (floridem) Ulkus des Gastrointestinaltrakts; floriden entzündlichen Darmerkrankungen oder Divertikulitis: sehr strenge Indikationsstellung, nur in Rücksprache mit behandelndem Internisten/Gastroenterologen.
- deutlich erhöhten Leberwerten (3 × des oberen Normwertes): strenge Indikation und Rücksprache mit Internisten/Hepatologen erforderlich.
- aktivem/symptomatischem Infekt: ggf. GKS-Therapie unter keimgerechter antibiotischer Abdeckung durchführen. Insbesondere bei Patienten aus Risikogruppen oder Endemiegebieten sollte vor Beginn der GKS-Therapie ein Röntgen-Thorax vorliegen (Gefahr der Reaktivierung einer Tuberkulose).
- akuten Virusinfektionen (z. B. Herpes zoster/simplex, chronisch aktive Virushepatitis); systemischen Mykosen und Parasitosen: ggf. zusätzliche antiinfektiöse Therapie.
- schwer einstellbarer arterieller Hypertonie; schwerer Herzinsuffizienz: in Rücksprache mit Kardiologen.
- bekannten Herzrhythmusstörungen: Kontrolle des Serum-Kaliums besonders wichtig!
- bekannter Hypothyreose, Leberzirrhose: ggf. GKS-Dosis reduzieren.
- schwerer Osteoporose.
- bereits unter GKS erlittenen schweren Komplikationen, z. B. Knochennekrosen.
- Eng- und Weitwinkelglaukom.
- Schwangerschaft: siehe Abschnitt „Besondere Hinweise“.
Dosierung
Die Zieldosis für den Therapiebeginn liegt bei 0,5–1,5 mg/kg KG Prednison-Äquivalent. Aufgrund der transienten Verschlechterung der myasthenen Symptomatik zu Beginn einer GKS-Therapie sollte man mit 10–20 mg/d eindosieren. Die Dosierung sollte dann um 5–10 mg pro Woche gesteigert werden, bis eine stabile Remission erreicht ist. Die Dosisreduktion erfolgt dann nach individueller Maßgabe.
Bei Exazerbationen der myasthenen Symptomatik kann eine Pulstherapie mit 500–1.000 mg/d über 1–3 Tage erwogen werden.
Pharmakokinetik
Grundsätzlich können die verschiedenen GKS anhand ihrer Wirkungsstärke, ihrer mineralokortikoiden Wirkung, ihrer unterschiedlichen Plasmahalbwertszeiten und ihrer Äquivalenzdosis unterschieden werden. Bei Unverträglichkeit kann auch eine Therapie mit Dexamethason erfolgen.
Die Resorption erfolgt rasch und nahezu vollständig nach oraler Gabe (Bioverfügbarkeit 70–90 %). Die Halbwertszeit liegt bei 2–4 h, wobei die biologische Halbwertszeit deutlich länger ist (12–36 h). GKS unterliegen einem hepatischen Metabolismus über das CYP-System (CYP3A4) mit Inaktivierung zu inaktiven Metaboliten. Die Elimination erfolgt renal.
Pharmakodynamik
Die Wirkmechanismen von GKS sind vielfältig, akute Wirkungen unterscheiden sich von der Wirkung bei längerer Behandlung. Durch Bindung an intrazelluläre GKS-Rezeptoren kommt es durch eine Translokation des Komplexes in den Zellkern zu einer Hemmung proinflammatorischer Zytokine und verminderter Aktivierung von T- und B-Lymphozyten. Darüber kommt es dann zu einer verminderten Bildung von Autoantikörpern gegen die neuromuskulären Endplattenstrukturen.
Diagnostik || vor Therapiebeginn
Labor
- Routinelaborparameter: Blutbild mit Differenzialblutbild, Elektrolyte (Na+/K+), Blutzucker (ggf. HbA1c) und Leberenzyme obligat zu bestimmen.
- Entzündungs- und Infektionsparameter: Ausschluss akuter Entzündungen (Körpertemperatur, BSG und/oder CRP obligat; Urinstatus fakultativ). Bei Hinweisen auf einen Infekt und/oder spezielle Begleiterkrankungen sind gezielte Labor- und technische Zusatzuntersuchungen bezüglich der Ursache obligat.
- Vor Beginn der Schubtherapie sollte bei pulmonaler Vorerkrankung (einschließlich, aber nicht ausschließlich, bei abgeheilter Tuberkulose), klinischen Hinweisen auf okkulte Infektionen oder Bestehen von Risikofaktoren (Herkunft des Patienten, Reiseanamnese, Exposition in Beruf und privatem Umfeld) eine Tuberkulosediagnostik (z. B. Röntgen des Thorax, Quantiferontest) vorliegen (obligat).
- Ein Schwangerschaftstest ist zu empfehlen, sofern eine Schwangerschaft nicht anderweitig ausgeschlossen werden kann; dies ist fakultativ.
Dokumentierte Aufklärung der Patienten über Therapie und Risiken
Eine dokumentierte mündliche Aufklärung über die Durchführung und die möglichen Risiken einer GKS-Therapie ist obligat. Hierbei sollte insbesondere auf folgende Aspekte eingegangen werden:
- Eine sehr häufige Nebenwirkung ist die Leukozytose mit Lymphopenie/Linksverschiebung sowie die Polyglobulie. Aufgrund der Immunsuppression besteht grundsätzlich eine höhere Infektneigung, wobei begleitende Infekte sich verstärken oder reaktiviert werden können.
- Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen eine diabetogene Stoffwechsellage, Hypokaliämie, Veränderungen der Stimmung (sowohl euphorisch als auch depressiv), Schlafstörungen und Hitzewallungen. Ebenso können ein „Schwellungsgefühl“, vor allem im Gesicht, ohne äußerlich sichtbare Cushing-Symptome, gastrointestinale Beschwerden, ein metallischer Geschmack und erhöhte Leberenzyme auftreten.
- Seltene Nebenwirkungen umfassen Magen-Darm-Ulzera und gastrointestinale Blutungen. Auch floride psychotische oder schwere depressive Reaktionen sind möglich. Bradykardien können auftreten, und sehr selten können Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern durch Hypokaliämie entstehen. Weitere seltene Nebenwirkungen sind hypertensive Entgleisungen, Glaukom-Anfälle, aseptische Knochennekrosen (insbesondere an Hüft- und Humeruskopf), Sehnenrupturen, Venenthrombosen (sehr selten auch Sinusvenenthrombosen und Thrombosen der inneren Hirnvenen), Muskelkrämpfe, drug-induced liver injury (DILI; sehr selten mit Leberversagen) sowie anaphylaktoide Reaktionen.
Während der Therapie
Routinelaborparameter: Kontrollen der Elektrolyte und des Blutzuckers sind obligat, um sicherzustellen, dass eine behandlungsbedürftige Elektrolytentgleisung oder diabetogene Stoffwechsellage rechtzeitig erkannt wird.
Bei auffälligen Werten bei diesen Kontrollen und/oder bestehenden Vor- oder Begleiterkrankungen muss das Monitoring unter hochdosierter GKS-Therapie intensiviert werden (weitere/engmaschigere Laborkontrollen).
Der behandelnde Arzt muss insbesondere mit dem Management einer steroidinduzierten diabetogenen Stoffwechsellage vertraut sein.
Bei bereits bekannter latenter oder manifester arterieller Hypertonie und Herzerkrankungen müssen ggf. Antihypertensiva angepasst werden (cave: Kaliumverlust durch Diuretika).
Zur Osteoporoseprophylaxe sollte die Gabe von Vitamin D (z. B. 1000 IE/d) erfolgen, bei manifester Osteoporose sollte eine endokrinologisch/osteologische Konsultation erfolgen. Eine Überprüfung der Knochendichte sollte im Verlauf erfolgen.
Besondere Hinweise
Kinder und Jugendliche
- Strenge Indikationsstellung, altersgerechte Dosierung (mg/kg).
- Wachstumsmonitoring und Knochendichtekontrolle.
- Möglichst früh steroid-sparende Kombinationstherapie.
Impfungen
- Totimpfstoffe sind während der Therapie möglich, sollten jedoch idealerweise vor Beginn der Therapie verabreicht werden.
- Lebendimpfstoffe vermeiden während systemischer Hochdosisgabe.
- Influenza- und COVID-19-Impfung empfohlen.
Schwangerschaft und Stillzeit
- Prednisolon/Prednison gilt als relativ sicher, da plazentagängig inaktiviert.
- Höchste Dosisreduktion anstreben, Teratogenität gering
- Stillen unter ≤ 20 mg Prednisolon/Tag möglich (nach morgendlicher Einnahme Stillpause von 4 h empfohlen).
Dauer der Therapie
Die Angaben zur Therapiedauer und zum Auf- und Abdosierungsschema erfolgen nach keiner festen Regel, sondern orientieren sich am Verlauf der Myasthenie, der Verträglichkeit und der Komorbidität, sind also im Einzelfall unterschiedlich. In der Regel erfolgt zu Beginn eine hochdosierte Gabe, bis eine klinische Stabilität erreicht wird (meist Wochen bis Monate), mit anschließender Reduktion auf niedrigstmögliche wirksame Dosis. In der Regel erfolgt eine Kombinationstherapie mit steroid-sparenden Immunsuppressiva (z. B. Azathioprin) oder Eskalationstherapien, sodass die erforderliche Dosis auch von der Wirksamkeit der Ko-Therapeutika abhängt. Höher dosierte Steroidtherapien über eine längere Dauer sind auf Grund der steroidassoziierten Nebenwirkungen zu vermeiden. Daher ist ein früher Beginn mit steroid-sparenden Immunsuppressiva erforderlich, da viele Substanzen eine lange Wirklatenz haben.
Patientenaufklärung
Die DMG stellt einen Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Methotrexat (MTX) für Sie bereit. Diesen können Sie hier herunterladen.
Autoren
Diese Empfehlung wurde von der Deutschen Myasthenie Gesellschaft e. V. unter der Federführung folgender Autoren erstellt:
- Univ.-Prof. Dr. med. Tim Hagenacker
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen
- PD Dr. med. Marc Pawlitzki
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
Autoren
Univ.-Prof. Dr. med. Tim Hagenacker
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen
PD Dr. med. Marc Pawlitzki
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf